Newsletter 2/20

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Dure – eine besondere Erfolgsgeschichte
Ein Bericht von Kilian Brenig, Einsteigen – Aufsteigen!-Pädagoge am Genoveva Gymnasium in Köln-Mülheim

„Dure heißt eigentlich Dur-E Sameen Bint-E-Waqas und hat nicht nur durch ihren außergewöhnlichen Namen eine besondere Rolle bei Einsteigen – Aufsteigen! am Genoveva-Gymnasium.
Als ich vor viereinhalb Jahren als Pädagoge im Bildungsförderprogramm begann, war Dure die erste Schülerin, die sich bei mir im Raum vorgestellt hat und auch die erste, die mich im Aufnahmegespräch (eine Art Bewerbungsgespräch im Programm Einsteigen – Aufsteigen!) davon überzeugte, einen der begehrten und begrenzten Plätze zu bekommen.
Ich habe Dure als sehr freundliche, aber verschlossene sowie schüchterne Schülerin kennengelernt, die wie viele Schülerinnen und Schüler der 7. Klasse ein eher durchschnittliches Zeugnis hatte. In den meisten Nebenfächern waren die Noten im 2er- und 3er Bereich, jedoch sah es in den Hauptfächern leider sehr schlecht aus. Durch das sehr hoch gesteckte Ziel, nach dem Abitur Medizin studieren zu wollen, machte sie sich selbst enormen Druck. Denn mit ihren Noten zu Beginn der Aufnahme in das Bildungsförderprogramm schien dieses Ziel unerreichbar. Dies führte in Kombination mit den „normalen“ Problemen, welche die Pubertät so mit sich bringt, zu einer völlig überforderten 7.-Klässlerin, welche die Schule ernsthaft abbrechen wollte.
Das Thema Schulabbruch und „alles hinschmeißen“ war einige Monate lang aktuell, obwohl ihr eigentlich klar war, dass es diese Option alleine rechtlich gar nicht gibt. Die langen und offenen Gespräche brachten mich am Anfang im Förderprogramm zur Erkenntnis, vor welch großen Herausforderungen Schülerinnen und Schüler in der aktuellen Schullandschaft stehen und welcher enorme Druck heutzutage auf den Jugendlichen lastet: Neben der Identitätsentwicklung, dem Leistungsdruck und vor allem am Genoveva Gymnasium eine hohe Quote an Schülerinnen und Schülern mit Migrationshintergrund kommt die ständige Erreichbarkeit und Informationsflut durch Smartphones und vor allem Social Media hinzu.
Zeitgleich mit den Gesprächen über Dures persönliche Situation, fanden die regelmäßigen Einsteigen – Aufsteigen!-Kleingruppentermine statt, bei denen sie mit zwei anderen Schülerinnen lernte, sich realistische aber ambitionierte Ziele zu setzen. Es ging dabei gar nicht so sehr um das große Ziel des Studienwunsches oder die Zeit nach dem Abitur, sondern eher um kurzfristigere Ziele wie das nächste Zeugnis oder die nächsten Klausuren. Die Ziele wurden mit der Zeit immer fordernder und dennoch wurden fast immer alle Wochenziele erreicht. Zusammen mit kleinen Workshops und Lerneinheiten zum Thema Klausurvorbereitung und Lernstruktur führten diese Maßnahmen zu immer mehr schulischen Erfolgen – und damit auch zu deutlich mehr Zufriedenheit, Ausgeglichenheit sowie Selbstbewusstsein.
Bemerkenswert ist, dass Dure zu Beginn der Teilnahme einen Zeugnisdurchschnitt von 3,5 hatte, den wir mittlerweile auf bemerkenswerte 1,8 steigern konnten. Mindestens genauso bedeutsam ist für mich allerdings, dass Dure fast immer mit einem Lachen in den Raum kommt. Sie steckt andere Schülerinnen und Schüler damit an und verbreitet einfach gute Laune. Mittlerweile kann ich Dure nicht nur als sehr positives Beispiel für neue Teilnehmer nennen, sondern auch mit ihr ernsthaft über das große Ziel des Medizinstudiums sprechen 😊 Es ist spannend, Dures Entwicklung im Bereich der schulischen Erfolge aber auch in ihrer persönlichen Entwicklung zu begleiten und zu unterstützen!“

Die herausfordernde Pandemiezeit an Schulen und der positive Blick nach vorne

Wie alle Schulen deutschland-, sogar fast weltweit, haben auch die fünf weiterführenden Schulen in Köln und Wipperfürth, an denen das Förderprogramm Einsteigen – Aufsteigen! angeboten wird, mit den Herausforderungen der Corona-Pandemie zu kämpfen. An den Schulen arbeiten die Einsteigen – Aufsteigen!-Pädagog*innen daran, die Nachteile, die den Teilnehmenden in ihren Gruppen durch Unterrichtsausfall, Quarantäne und durch das Gefühl der allgemein herrschenden Unsicherheit entstehen, aufzufangen.
Nach zunächst kompletter Umstellung auf den digitalen Betrieb findet aktuell vorwiegend ein Wechsel zwischen digitalen und analogen Angeboten statt, je nachdem, ob sich Kleingruppen oder auch einzelne Jugendliche sich in Quarantäne befinden. Was die analoge Arbeit anbelangt, so gab es nach dem Lockdown und mit der Wiederaufnahme des Unterrichts ein großes Tische- und Stühlerücken in den Einsteigen – Aufsteigen!-Räumlichkeiten der Schulen. Maskenpflicht und offene Fenster gehören seitdem ebenfalls zu den unverzichtbaren Begleitern für die Arbeit in den Schulen.
Vieles kann auf diese Weise aufgefangen werden, aber eben nicht alles. Eine Schwierigkeit ist es, unter den derzeitigen Bedingungen seinen Abschluss zu machen. Vor allem bei neuem Unterrichtsstoff, den sich die Schülerinnen und Schüler selbst erarbeiten mussten, stellte sich raus, dass er teilweise wiederholt oder neu gelernt werden musste, da der digitale Unterricht hier an seine Grenzen gestoßen ist.
Von einem Augenblick auf den anderen kann sich die Lage an den Schulen ändern. So hatte Dorothea Reckerth, Einsteigen – Aufsteigen!-Pädagogin an der Hermann-Voss-Realschule in Wipperfürth, im Rahmen einer Software-Schulung Kontakt zu einer nachträglich positiv auf COVID 19 getesteten Lehrkraft. Daher musste sie, genau wie 13 Klassen und eine große Anzahl Lehrer*innen, zwei Wochen in Quarantäne verbringen. Dabei war sie weiterhin für ihre Teilnehmenden ansprechbar. Da die positiv getestete Lehrkraft zahlreiche Klassen unterrichtet hatte, musste die ganze Schule für zwei Tage schließen, um die Kontakte nachverfolgen zu können. Insgesamt war dies eine herausfordernde Situation für alle Beteiligten. Mittlerweile findet sowohl Unterricht als auch Einsteigen – Aufsteigen! wieder weitestgehend analog statt. „Was den Geist von Einsteigen – Aufsteigen! normalerweise ausmacht, ist das Gemeinschaftsgefühl und das soziale Miteinander. Durch das aktuelle Verbot der Mischung von Jahrgängen ist dies nun in der gewohnten Form nicht möglich. Das vermissen die Teilnehmenden sehr.“ berichtet Frau Reckerth.
Im Gebäude nebenan, an der Konrad-Adenauer-Hauptschule, desinfiziert Ramona Gebel, die nach den Sommerferien in einen großen, neuen Raum umgezogen ist, Tische und Stühle, um das Ansteckungsrisiko zu vermindern. Die Fenster bleiben während der Treffen fast durchgängig geöffnet, damit ein regelmäßiger Luftaustausch stattfinden kann. Mit sinkenden Temperaturen bringen nun immer mehr Schülerinnen und Schüler eigene Decken mit, um bei Einsteigen – Aufsteigen! sowie im Schulunterricht ohne zu frieren teilnehmen zu können. Bei Frau Gebel werden sie zusätzlich mit wärmenden Kaffee und Tee versorgt. Wie an den anderen Schulen auch, wird im Gebäude sehr darauf geachtet, dass die Schülerinnen und Schüler Abstand voneinander halten. Auf dem Schulhof wurden sogar viele große Kreuze auf den Boden gemalt. In jeder der vier Ecken darf sich während der Pause ein Kind aufhalten und dort, mit Abstand, ohne Maske sein Pausenbrot essen.
Im knapp 60 km entfernten Köln sieht es an den drei dortigen Einsteigen – Aufsteigen!-Schulen ähnlich aus.
Nuran Ertem hat zusätzlich das Problem, dass ihr Raum an der Heinrich-Böll-Gesamtschule in Köln Chorweiler sehr klein und schmal geschnitten ist, was einen Aufenthalt mit mehreren Schülerinnen und Schülern unmöglich macht. Trotz regelmäßigen Lüftens dürfen sich immer nur zwei Personen gemeinsam dort aufhalten. Bei trockenem Wetter geht Frau Ertem daher mit ihren Schützlingen auf den Schulhof oder in einen nahegelegenen Park. Ansonsten sitzt sie gemeinsam mit den einzelnen Gruppen im Café einer Bäckerei. Die Mitarbeiter kennen die Pädagogin mittlerweile und haben Verständnis für ihre Situation – daher wird von ihnen hin und wieder auch einmal ein Getränk spendiert. Da die Corona-Zahlen allerdings in den letzten Wochen wieder so stark angestiegen sind, nutzt Frau Ertem nun wieder die Möglichkeit, die sich im Lockdown im Frühjahr etabliert hat – sie hält einen Großteil ihrer Gruppentreffen online ab.
Dass diese Lösung hilfreicher ist, als Treffen gänzlich ausfallen zu lassen, steht für alle Pädagoginnen und Pädagogen fest. Einigkeit herrscht aber auch darüber, dass viele Jugendliche an den Online-Treffen weniger motiviert teilnehmen als in den analogen Gruppenstunden. Auf der anderen Seite kann man über einen Videochat zumindest das ganze Gesicht sehen ganz ohne Maske – ein kleiner Vorteil.
Eine weitere Erfahrung aus dem Lockdown: Die Meisten geben weniger von sich preis. „Echte Anliegen“, so erzählt Kilian Brenig vom Kölner Genoveva Gymnasium, „werden von Schülerinnen und Schülern nur persönlich geklärt. Während des Lockdowns war ich positiv überrascht, wie gut es scheinbar bei einigen Teilnehmenden Zuhause lief. Im persönlichen Gespräch hat man dann leider erfahren, dass die Realität anders aussah“. Aus allen Projektschulen berichtet das Pädagogen-Team über Schwierigkeiten ihrer Teilnehmenden im Lockdown. Viele von ihnen, besonders diejenigen aus der Großstadt Köln, leben auf engem Raum, oft noch mit großen Familien und viel Unruhe im Umfeld. Da fällt effektives Lernen schon in normalen Zeiten schwer und erst recht dann, wenn man die Wohnung kaum verlassen darf.
Carl Liedtke an der Willy-Brandt-Gesamtschule in Köln Höhenhaus, sieht ein großes Problem beim Thema Berufsorientierung. Zahlreiche der bereits zugesagten Praktikumsplätze für die 9. Klassen wurden wieder abgesagt, aktuell einen neuen Platz zu finden stellt sich als besonders schwierig heraus. „Außerdem sind viele Job- und Ausbildungsmessen abgesagt worden,“ erzählt Herr Liedtke. „Die Veranstaltungen, die stattfinden, können nur mit Voranmeldung und in kleinen Gruppen besucht werden. Die Schüler sind dahingehend frustriert.“.
Bei all den Problemen, die sich in den letzten neun Monaten für die Kinder und Jugendlichen entwickelt haben, ist es wichtiger denn je, dass sie jemand bei der Lösungsfindung unterstützt und Orientierung gibt. Alle fünf Pädagogen stehen ihren Teilnehmenden bei der Berufswahl und Bewerbungen zur Seite und kompensieren die im Lockdown entstandenen Lücken so schnell wie möglich. Dafür tauschen die Pädagogen unter anderem spezifisches Übungsmaterial untereinander aus, um allen Schülerinnen und Schülern zielgerichtet helfen zu können. Dabei versuchen sie immer, den Kindern und Jugendlichen einen positiven Blick nach vorne mitzugeben.
Die fünf Pädagoginnen und Pädagogen sehen auch eindeutige Chancen in der aktuellen Situation: Viele der Schülerinnen und Schüler gehen zum Beispiel rücksichtsvoller miteinander um, sind noch hilfsbereiter als sonst. Sie sind teilweise auch stolz auf das, was sie alles unter diesen widrigen Umständen schaffen: „Die Erwachsenen jammern schon, wenn sie im Supermarkt eine Maske tragen müssen – wir machen das den ganzen Tag!“, zitiert Frau Gebel ihre Teilnehmer. Vielen der Schülerinnen und Schüler ist bewusstgeworden, wie wichtig Schule und der Kontakt zu „ihren“ Pädagog*innen ist.

Von Valeska Damm-Berndorff, Referentin im Förderprogramm Einsteigen – Aufsteigen!

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ausgebaut. Der Kölner Gymnasial- und Stiftungsfonds
hat Einsteigen – Aufsteigen! 2007 ins Leben
gerufen, um Kinder und Jugendliche mit
schulischen, familiären und sozialen Problemen
aktiv zu fördern. Verschiedenste Aktionen und Projekte runden das Angebot für die jungen Menschen zusätzlich ab.